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Topthema 01/2015: Gesetzlicher Mindestlohn

Renaissance der Stechuhr

Unternehmer müssen für Beschäftigte mit geringem Entgelt künftig jeden Cent und jede Sekunde aufzeichnen. Wer Zahlungen und Arbeitszeiten nicht exakt dokumentieren kann, wird dafür bei Kontrollen teuer büßen.

Für Heinz Gindullis ist es Zeit, dass der gesetzliche Mindestlohn kommt: „Ich habe Respekt vor Menschen, die bisher Jobs für unter 8,50 Euro pro Stunde machen, statt mit Hartz IV bequem auf der Couch zu sitzen“, sagt der Gastronom. „Jetzt bringt der Mindestlohn faire Bezahlung.“ Seine Berliner CHG GmbH betreibt Restaurants und eine Eventagentur. „Gastronomie ist ein personalintensives Feld“, so Gindullis, der gut 100 Mitarbeiter über eine selbst programmierte Software abrechnet, die die Daten wie vorgeschrieben speichert. Fast alle verdienen deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn, der ab 2015 für jeden Betrieb gilt. Der Satz für Spüler wurde schon 2014 auf jene 8,50 Euro angehoben, die die neue Lohnuntergrenze sind. Daher ist Gindullis kalkulatorisch wie organisatorisch auf die neuen Vorgaben vorbereitet.

Was er hinter sich hat, steht vielen Unternehmern bevor: Sie müssen klären, ob sie den gesetzlichen Mindestlohn richtig umsetzen. „Nur geringe Löhne auf 8,50 Euro anzuheben wäre zu einfach gedacht“, betont Jobst-Hubertus Bauer, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Tübingen. „Betroffen sind fast alle Betriebe, sei es wegen eigener Mitarbeiter oder der Zusammenarbeit mit Subunternehmern, für die sie unter Umständen haften.“ Zudem reicht eine Entgelterhöhung nicht. Es ist auch zu dokumentieren, dass die Zahlungen der gesetzlichen Vorgabe entsprechen. „Zur Berechnung der Löhne kommen Aufzeichnungspflichten, also noch mehr Bürokra-tie“, seufzt Armin Heßler vom Deutschen Steuerberaterverband in Berlin. Um kein Risiko einzugehen, sollten Firmenchefs – mit Unterstützung des Steuerberaters – Punkt für Punkt auf einer Checkliste durchgehen, ob sie die neuen Regeln einhalten oder wann und wie sie aktiv werden müssen.

ES GIBT KAUM NOCH AUSNAHMEN

Grundsätzlich gilt der Mindestlohn ab 2015 in jeder Branche. Es gibt jedoch eine Übergangsfrist: Zeitungszusteller erhalten ab 2015 mindestens 75 Prozent des Mindestlohns, also 6,38 Euro. Ab 2016 sind es 85 Prozent oder 7,23 Euro, ab 2017 gibt es die regulären 8,50 Euro. Firmen in Branchen mit einem Stundenlohn von unter 8,50 Euro dürfen ihn beibehalten, wenn das in einem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag beziehungsweise in einem Tarifvertrag nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt ist. Die Ausnahmen müssen ab 1. Januar 2017 mindestens ein Entgelt von 8,50 Euro pro Zeitstunde vorsehen. Aushilfen und Saisonkräfte in der Landwirtschaft erhalten ab sofort den Mindestlohn. Sie dürfen aber – zunächst bis Ende 2018 befristet – 70 statt bisher 50 Tage im Jahr sozialabgabenfrei beschäftigt werden.

Der Mindestlohn steht jedem Mitarbeiter zu. Ausnahmen gelten für Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Auszubildende, Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate in ihrer neuen Stelle, für in Werkstätten beschäftige Behinderte sowie auch für Praktikanten. Über die Details sollte mit dem Steuerberater gesprochen werden.

Ganz wichtig: Es geht um den Bruttolohn. Zum Mindestlohn zählen keine Qualitäts- und Akkordprämien, Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Schmutz- und Gefahrenzulagen. Auch

Entsendezulagen für Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten gelten nicht. Weihnachts- und Urlaubsgeld zählt nur im Auszahlungsmonat zum Lohn. „Betriebe mit Löhnen an der Grenze von 8,50 Euro sollten Sonderzahlungen zwölfteln und anteilig monatlich abrechnen“, rät Professor Bauer. Bei Gehältern müssen die vereinbarten Monatsarbeitsstunden oder das Entgelt angepasst werden, um rein rechnerisch den Mindestlohn zu zahlen. Bei einer 40-Stunden-Woche etwa ist unter Berücksichtigung der Drei-Monats- Betrachtung von monatlich 173,33 Stunden auszugehen, was ein Mindestlohngehalt von 1.473,31 Euro ergäbe.

Bei 450-Euro-Kräften, den sogenannten Minijobbern, müssen die Betriebe exakt rechnen. Wegen des Mindestlohns darf ein Minijobber maximal 52,9 Stunden im Monat arbeiten (450:8,50). Aufrunden auf praktikable 53 Stunden ist nicht zulässig. Der Monatslohn läge so bei 450,50 Euro – und wegen 50 Cent über der 450-Euro-Grenze gingen die Vorteile der Pauschalierung verloren. „Betriebe, deren Minijobber bisher länger arbeiteten, sollten die Arbeitsverträge zusammen mit den Mitarbeitern umstellen“, rät Experte Heßler.

VIEL MUSS DOKUMENTIERT WERDEN

Hohe Anforderungen kommen bei den Aufzeichnungspflichten auf die Unternehmen zu. Sie müssen für folgende Mitarbeitergruppen binnen sieben Tagen nach der Arbeitsleistung Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit inklusive Angabe von Pausen speichern und zwei Jahre aufbewahren: Minijobber, kurzfristig Beschäftigte, Mitarbeiter in Branchen nach Paragraph 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (etwa Bau, Gaststätten, Gebäudereiniger). Unterschreitet ein Betrieb den Mindestlohn oder kann er bei einer Kontrolle die Zahlung nicht belegen, wird es teuer: Er muss die vollen Sozialabgaben für den eigentlich fälligen Lohn überweisen. Zudem drohen bis zu 500.000 Euro Bußgeld und – schon ab einem Bußgeld in Höhe von 2.500 Euro – der vorübergehende Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Zudem können Benachteiligte ihren Mindestlohn beim Arbeitsgericht einklagen.

Schon heute sollten sich Firmenchefs darauf einstellen, dass sie 2017 eventuell neu rechnen müssen. Dann nämlich könnte die Mindestlohnkommission einen anderen Satz vorschlagen und die Bundesregierung dies per Rechtsverordnung festsetzen. Vor einer möglichen Erhöhung hat Gastronom Gindullis jedoch keine Angst, er findet es richtig, dass gute Arbeit auch gut bezahlt wird: „Der Satz sollte künftig ruhig bei zehn Euro liegen.“

Checkliste

Diese Punkte sollten Sie klären

Übergangsfrist: Muss in Ihrer Branche nicht sofort der volle Mindestlohn gezahlt werden?

Betroffene: Beschäftigen Sie Mitarbeiter, die vom Mindestlohn ausgenommen sind?

Berechnung: Bieten sich Änderungen bei den Zahlungsmodalitäten an, beispielsweise eine Zwölftelung von Sonderleistungen?

Umrechnung: Erhalten Gehaltsempfänger nach Arbeitsstunden betrachtet unter 8,50 Euro?

Minijobber: Bleiben trotz Mindestlohn die Vorteile der Pauschalierung erhalten, oder muss die Stundenzahl reduziert werden?

Aufzeichnungspflicht: Wie lassen sich der Beginn, das Ende sowie die Dauer der täglichen Arbeitszeit rechtssicher dokumentieren?

Geschäftspartner: Haben Ihre Subunternehmer schriftlich bestätigt, den Mindestlohn zu zahlen, damit Sie aus der Haftung sind?

Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 1/2015. Text: Harald Klein.

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