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Topthema 04/2015: Vor- und Nacherbschaft

Fundiert planen

Nach wie vor wird bei der Nach­lass­pla­nung für größere Ver­mö­gen gerne die Kon­struk­tion der Vor- und Nach­erb­schaft ge­wählt – trotz erb­schaft­steuer­licher Nachteile.

Die Nacherbfolgeregelung ermöglicht es dem Erblasser, seine Nachfolge so zu lenken, dass sein Vermögen zunächst dem gewählten Vorerben zukommt und danach einer weiteren vom Erblasser ausgewählten Person, dem sogenannten Nacherben. Bei Eintritt des Nacherbfalls geht der Nachlass des Erblassers so nicht an die Erben des Vorerben, sondern an den Nacherben. Vor- und Nacherbe werden damit zeitlich aufeinanderfolgend unterschiedliche Erben desselben Erblassers bezüglich derselben Erbschaft. Oft will der Erblasser sein Vermögen innerhalb der Familie behalten und verhindern, dass es an fremde Dritte übergeht. Weiteres mögliches Motiv für die Anordnung ist zum Beispiel der Wunsch, dass bestimmte Personen, wie zum Beispiel der ge­schie­dene Ehegatte über die gemeinsamen Kinder, nicht am Vermögen des Erblassers teilhaben sollen. Durch die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft kann der Erblasser das Verhalten des Vor- und Nacherben gewissermaßen steuern.
Die Anordnung der Vor- und Nacherbfolge erfolgt durch Testament oder Erbvertrag. Sie kann sich zwar nicht auf einzelne Nachlassgegenstände, jedoch auf Bruchteile des Nachlasses beschränken. Die Praxis zeigt immer wieder Beispiele von Gestaltungen, die unerwünscht zu einer Vor- und Nacherbfolge führen, nämlich dann, wenn der Erblasser keine eindeutige und klare Regelung in seine letztwillige Verfügung aufgenommen hat. Es kommt sodann zu einer gerichtlichen Auslegung der letztwilligen Verfügung. So kann das Verbot, Grundbesitz zu veräußern, nicht nur eine den Erben beschränkende Auflage, sondern auch Anordnung einer Nacherbfolge sein. Die Klausel „Das Haus gehört dir, solange du lebst“ kann als Nacherbfolge gemeint sein, muss aber nicht.
Der Erblasser und seine Berater sollten also gut überlegen, ob die gewählte Formulierung auch zum gewünschten Ergebnis führt. Der Nacherbfall ist der Zeitpunkt, zu dem die Nacherbfolge eintreten soll und die Erbschaft dem Nacherben anfällt. Der Erblasser kann diesen Zeitpunkt innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei bestimmen. Ohne zeitliche Bestimmung durch den Erblasser tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein.

Schutz des Nacherben

Mit Eintritt des Vorerbfalls ist von Amts wegen der sogenannte Nacherbenvermerk im Grundbuch einzutragen, um den gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten vom verfügungsbeschränkten Vorerben zu verhindern. Den Vorerben trifft außerdem die Anzeigepflicht gemäß § 2146 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Er ist zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht gegenüber den Nachlassgläubigern verpflichtet, den Eintritt der Nacherbfolge unverzüglich dem Nachlassgericht anzuzeigen. Zum Schutz des Nacherben unterliegt der Vorerbe strengen gesetzlichen Be­schrän­kun­gen. Bis zum Eintritt des Nacherbfalls kann der Vorerbe über die Erträge aus der Verwaltung des Vermögens verfügen und den Nutzen ziehen. Die Substanz der Erbschaft jedoch darf er grundsätzlich nicht für sich verwenden, sondern muss sie beim Nacherbfall an den Nacherben herausgeben. Was der Vorerbe mit Nachlassmitteln erwirbt, gehört automatisch zum Nachlass. Aufgrund dieses sogenannten Surrogationsprinzips bedarf es keiner Über­tra­gungs­hand­lung. Verwendet der Vorerbe einen Nachlassgegenstand für sich, hat er Wertersatz zu leisten. Etwas anderes gilt aber für den sogenannten befreiten Vorerben. In diesem Fall treffen den Vorerben weniger Beschränkungen, je nachdem wie weit diese Befreiung reichen soll. Der befreite Vorerbe hat damit eine starke Rechtsstellung. Aber auch für ihn besteht die Gefahr, dem Nacherben Schadensersatz leisten zu müssen. Die Berater des Nacherben sollten den Nacherben also bereits vor dem Nacherbfall über die gesetzlichen Kontroll- und Sicherungsmittel aufklären, um späteren Rechtsnachteilen vorzubeugen. Der Vorerbe seinerseits sollte sich ebenfalls über seine Rechts­posi­tion aufklären lassen. Nur so kann er aus dem ihm Zugewandten volles Potenzial schöpfen.

Haftungsfragen

Auch die Haftung des Vor- und Nacherben muss Gegenstand der Überlegungen zwischen Berater und Erblasser sein. Zwar endet die Erbenstellung des Vorerben mit dem Eintritt der Nacherbfolge und damit im Prinzip auch seine Haftung. In gewissen Konstellationen jedoch bleibt die Haftung des Vorerben auch nach Eintritt der Nacherbfolge unberührt. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn den Nacherben keine persönliche Haftung trifft, weil er seine Haftung auf den Nachlass wirksam beschränkt hat, und der Nachlass zur Befriedigung der Nachlassgläubiger nicht genügt oder die Nachlassgläubiger wegen Vermögenslosigkeit des unbeschränkt haftenden Nacherben For­de­rungs­aus­fälle erleiden. Auch nach Eintritt der Nacherbfolge haftet der Vorerbe für die Erfüllung von Vermächtnissen und/oder Auflagen, mit denen der Erblasser nur ihn beschwert hat. Darüber hinaus haftet der Vorerbe unbeschränkt weiter, wenn er, aus welchen Gründen auch immer, vor Eintritt der Nacherbfolge bereits seine Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung verloren hat.

Steuerrechtliche Aspekte

Die steuerlichen Auswirkungen der Vor- und Nacherbenanordnung müssen wohlüberlegt werden: Der Übergang des Vermögens auf den Nacherben durch Eintritt des Nacherbfalls ist als vom Vorerben stammender Erwerb erneut zu versteuern. Wenn die Freibeträge überschritten werden, ist so im Zweifelsfall zweimal Erbschaftsteuer zu zahlen. Durch die Auslösung zweier Be­steue­rungs­vor­gänge ist die Vor- und Nacherbschaft im Allgemeinen aus steuerlicher Sicht kein günstiges Gestaltungsmittel.

Fazit

Die Vor- und Nacherbfolge mag grundsätzlich ein geeignetes Gestaltungsmittel sein, einen möglichst ungeschmälerten Übergang des Vermögens auf nachfolgende Generationen zu gewährleisten. Die erfolgreiche Umsetzung des komplexen Rechtsinstituts bedarf jedoch einer fundierten Vorbereitung und Aufklärung der Beteiligten.

Quelle: DATEV magazin, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 4/2015. Text: Ralph Binder.

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