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Topthema 05/2020: Reklamationsmanagement und Beschwerdemanagement sind Chef­sa­che

Re­kla­ma­tions­ma­nage­ment und Be­schwer­de­ma­nage­ment sol­len Kun­den zu ih­rem Recht ver­hel­fen und sie zu­gleich mehr an den Be­trieb bin­den. Da­für soll­ten Fir­men­chefs die recht­li­chen As­pek­te mit dem An­walt klä­ren so­wie sich ei­ne gu­te Ku­lanz-Stra­te­gie über­legen.

Wer als Unternehmer beim Kunden punkten will, sollte ihm möglichst mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das gilt in guten wie schlechten Zeiten, insbesondere auch nach dem Kauf: Zum umfassenden Service gehört die schnelle Reaktion auf kritisches Feedback, also ein durchdachtes Reklamationsmanagement beziehungsweise Beschwerdemanagement. Naheliegend ist natürlich der Gedanke, einen guten Eindruck beim Kunden zu machen, indem man sich in einer schwierigen Situation bewährt. In diesem Sinne wäre die zufriedenstellende Reaktion auf Beschwerde oder Reklamation also ein Aspekt der Kundenbindung. Aber Firmenchefs müssen auch gesetzliche Vorgaben mit Blick auf die Rechte des Kunden beachten. Dazu zählen neben Informationspflichten oder der Erfüllung vertraglicher Ansprüche auch haftungsrechtliche Ansprüche. Rücksprache mit einem Anwalt ist beim Thema Reklamation und Gewährleistung deshalb unbedingt sinnvoll. Außerdem müssen natürlich auch die Mitarbeiter genau wissen, wie sie sich im Fall einer Reklamation verhalten sollen. Entsprechende Schulungen sind sehr empfehlenswert. Ebenso wie Klarstellungen in AGB oder Verträgen.

Mit Reklamationsmanagement punk­ten Un­ter­neh­mer bei Stress

Es gab schon immer gute Gründe, sich den Kunden gegenüber kulant zu verhalten, nicht nur in Krisenzeiten wie jetzt gerade. Wer beim Reklamationsmanagement die Kulanz ganz weit oben ansiedelt, legt die Basis für eine langfristig stabile Geschäftsbeziehung. Wenn mal etwas nicht perfekt ist, steigert Entgegenkommen stets die Kundenzufriedenheit. Denn die meisten Auftraggeber oder Abnehmer stänkern nicht aus Prinzip, sondern wünschen sich eine schnelle und umsichtige Lösung des Problems. Außerdem gilt: Egal, wie sich Unternehmer bei Schwierigkeiten verhalten – ihre Kunden erzählen es bestimmt weiter. Gutes Beschwerdemanagement mit viel Kulanz bei berechtigter Kritik sorgt also dafür, dass zunächst enttäuschte Partner letztlich doch nur Gutes verbreiten. Deshalb ist Kulanz beim Reklamationsmanagement ein entscheidender Aspekt für die Pflege der Beziehung zum Kunden. Und übrigens auch wirtschaftlich meistens sinnvoll: Eine gütliche Einigung ist bei einer Reklamation oder Beschwerde fast immer besser, als eine womöglich teure juristische Auseinandersetzung zu riskieren.

Zum richtigen Beschwerdemanagement ge­hört Ku­lanz

Neben strategischen Fragen der langfristigen Kundenpflege sind beim Reklamationsmanagement oder Beschwerdemanagement natürlich einige rechtliche Vorgaben zu beachten. Gut zu wissen: Grundsätzlich sind Händler nicht zur Kulanz verpflichtet. Haben sie eine fehlerfreie Ware geliefert, müssen sie diese nicht zurücknehmen. Sie dürfen es nach einer – nicht auf einem echten Mangel beruhenden – vom Kunden so genannten Beschwerde oder Reklamation aber freiwillig. Deshalb sollten Unternehmer mit einem Anwalt klären, ob oder in welchem Umfang sie schriftlich ein freiwilliges Umtausch- oder Rückgaberecht einräumen. Das dürfte stark vom Segment abhängig sein, in dem sie tätig sind, also von Art und Wert ihrer Waren. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) lassen sich dann bestimmte Artikel von der freiwilligen Rücknahme ausschließen. Auf diese Ausnahmen von ihrer generellen Kulanzregel sollten Unternehmer die Kunden hinweisen. Vor allem, wenn sie offensiv mit der Kulanz werben. Auch wenn jemand über seine gesetzliche Pflicht hinaus Garantien anbietet, sind klare schriftliche Regelungen immer von Vorteil.

Online gel­ten im Reklamationsmanagement an­de­re Regeln

Im Onlinehandel oder bei Haustürgeschäften haben Kunden mehr Rechte als beim Kauf im Laden. Dann ist Kulanz in gewissem Umfang Pflicht. Der Kunde genießt ein generelles Widerrufsrecht von 14 Tagen. Einen Grund für eine Rückgabe muss er nicht nennen. Unternehmer müssen den Kaufpreis inklusive Versandkosten für die günstigste Versandart erstatten. Was für Teilrückgaben gilt, sollten Unternehmer bei großen Sendungen und teurem Versand mit ihrem Anwalt klären. Er prüft auch, ob der Hinweis auf das Widerrufsrecht wasserdicht ist. Machen Unternehmer hier einen Fehler, beginnt die Frist nicht. Kunden könnten also Jahre später von Verträgen zurücktreten. Neben obligatorischen Angaben wie Impressum samt Kontaktdaten, Datenschutzerklärung oder AGB erleichtert auch eine übersichtliche Liste mit Standardfragen (FAQs) das Reklamationsmanagement oder Beschwerdemanagement. Ein technischer Dienstleister könnte außerdem einen Livechat mit Servicemitarbeitern oder Bots aufsetzen und so die Kontaktaufnahme erleichtern. Der Anwalt hilft, die sich oft ändernden rechtlichen Informationspflichten zu erfüllen, etwa den Hinweis auf das Streitschlichtungsportal.

Kunden dür­fen Waren testen, aber nicht umfassend benutzen

Für Onlinegeschäfte sollten Unternehmer im Reklamationsmanagement also einen zeitlichen und natürlich auch finanziellen Puffer einplanen. Alles jedoch müssen sie sich nicht gefallen lassen. Zwar dürfen Verbraucher die 14-tägige Widerrufsfrist durchaus nutzen, um die Ware auf „Eigenschaften und Funktionsweise“ hin zu testen. Aber nur so, wie dies auch in einem Laden möglich wäre, meint der Bundesgerichtshof. Mehr Rechte als beim Einkauf in einem Geschäft haben Kunden online also nicht. Für beschädigt zurückgegebene Ware müssen Händler nicht den vollen Kaufpreis erstatten, urteilten die Richter im Fall eines online gekauften Katalysators. Die deutlichen Gebrauchsspuren nach einer Probefahrt mit dem Bauteil müsse der Händler bei der Rückgabe nicht hinnehmen, so die BGH-Richter. Solch eine Ingebrauchnahme gehe weit über die Testmöglichkeiten im Geschäft hinaus.

Reklamationsmanagement muss auch Män­gel ein­kal­ku­lieren

Das Recht auf Beanstandung seitens des Kunden kennt also durchaus Grenzen. Zu sicher sollten sich Unternehmer beim Reklamationsmanagement aber nicht fühlen. Die Rechtsprechung ist nämlich grundsätzlich sehr verbraucherfreundlich. So urteilte der BGH im Fall einer Gebrauchtwagenreklamation: Tritt in den ersten sechs Monaten nach Kauf ein Mangel auf, müssen Händler bei Reklamationen beweisen, dass dieser zum Zeitpunkt der Übergabe nicht da war. Zweifel gehen mit dem höchstrichterlichen Urteil seither grundsätzlich zulasten der Händler. Ist bei einer Reklamation in der Sechsmonatsfrist die Ursache für einen Mangel nicht genau zu klären, haftet der Unternehmer. Im konkreten Fall ging es um eine Kupplung. In einem ähnlichen Prozess legten die Richter fest: Bei nur sporadisch auftauchenden Mängeln dürfen Händler den Kunden nicht wegschicken, sondern müssen den Sachverhalt sofort umfassend klären. Das gilt gerade bei solchen sicherheitsrelevanten Mängeln – weil sonst eine verantwortungsvolle Nutzung nicht möglich sei. Dem Käufer gestanden die Richter sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag zu.

Beim Beschwerdemanagement auch an Me­dia­tion denken

Kulanz sollte also auch mit Blick auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung einen festen Platz im Reklamationsmanagement oder Beschwerdemanagement haben. Nicht nur Sicherheit ist ein Argument für den Kunden. Der BGH urteilte schon mit Blick auf geringfügige Schäden kundenfreundlich. So räumten die Richter dem Käufer ein vollständiges Zurückbehaltungsrecht für den Kaufpreis eines Neuwagens ein, weil dieser geringfügige Lackkratzer aufwies. Der Forderung des Verkäufers auf Ersatz von Transportkosten für Rückholung und Wiederauslieferung sowie Standgeld oder Verzugszinsen auf den Kaufpreis gaben die obersten Richter nicht nach. Der Händler hatte 1.138,64 Euro gefordert – und war in allen Instanzen unterlegen. Geht es um teure Reklamationen, sollten Unternehmer sich besonders eingehend mit ihrem Anwalt beraten. Vielleicht bietet eine Mediation die Lösung. Das ist meistens billiger als ein Prozess und wird daher auch gern von Rechtsschutzversicherern empfohlen. Die Erfolgsquote von Mediationsverfahren liegt mit rund 80 Prozent hoch – kostet allerdings auch entsprechend Aufwand.

Das Reklamationsmanagement der Lie­fe­ran­ten hin­ter­fragen

Nicht aus den Augen verlieren sollten Unternehmer das Risiko, als Händler für Hersteller zu haften – beispielsweise bei Rückrufen. Hier haben sie nicht nur Pflichten, sondern auch Risiken. Der Kunde kann sich teilweise aussuchen, gegen wen er seine Rechtsansprüche richtet. Das sollten Unternehmer mit ihrem Anwalt besprechen. Achten sollten Firmenchefs auch auf mögliche Fallen beim Reklamationsmanagement oder Beschwerdemanagement ihrer Lieferanten. So profitieren Unternehmer natürlich auch von kundenfreundlichen Rechtslagen und Gerichtsurteilen. Aber sie müssen aufpassen, dass etwa die auch ihnen gegenüber zu erbringende Haftung nicht unbemerkt von AGB ausgehebelt wird. So beschränken Handwerker ihre Haftung gerne weiter per AGB auf Materialkosten. Eigentlich rechtlich vorgesehen ist, sie auch auf den oft viel teureren Aufwendungsersatz auszudehnen. Als Kunden sollten Unternehmer das Reklamationsmanagement stets auch aus der Perspektive der Gegenseite betrachten. Und deshalb ihren Anwalt die AGB der Partnerunternehmen auf Fallen abklopfen zu lassen.

Quelle: DATEV TRIALOG, Das Magazin für erfolgreiche Unternehmen & Selbstständige, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Autor: v am 23. April 2020. Artikel aufrufbar unter: https://www.trialog-magazin.de/2020/04/23/reklamationsmanagement-kulanz-sollte-im-beschwerdemanagement-chefsache-sein/?stat_Mparam=ext_sm_blogs_trialog

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