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Topthema 07/2017: Lohn und Gehalt

Jeder Stein muss exakt passen

Selbst in kleinen Unternehmen ist die Abrechnung inzwischen so schwierig, dass eine Betriebsprüfung oft mit Nachzahlungen endet. Die Fallen reichen von vermeintlich abgabenfreien Zuschlägen über den sogenannten Fiktivlohn bis zur Pfändungsgrenze.

Für Sandra Warden ist das Thema zwar nicht neu, es gewinnt nach ihrer Beobachtung jedoch aktuell merklich an Brisanz. „Nach einer Prüfung der Sozialversicherung werden derzeit viele Unternehmer aufgefordert, eine Nachzahlung zu leisten – sie sollen Beiträge auf gar nicht ausgezahlte und dazu noch vermeintlich abgabenfreie Zuschläge abführen“, berichtet die Geschäftsführerin für Arbeitsrecht und Soziales in der Berliner Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) aus der Praxis. Die betroffenen Firmenchefs müssen sich in diesem Fall mit einer ihnen normalerweise weitgehend unbekannten Feinheit bei Steuern und Abgaben beschäftigen, für die die Fachleute sogar eine eigene Bezeichnung haben. Es geht um die sogenannte Fiktivlohnfalle.

ZUSCHLÄGE MACHEN OFT PROBLEME

Jeder Unternehmer weiß, dass Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit vom Zugriff des Fiskus verschont bleiben. Für den Arbeitgeber und seinen Mitarbeiter sind die Leistungen zudem bis zu einem Stundenlohn von 25 Euro sozialversicherungsfrei. Was vielen Firmenchefs jedoch nicht bewusst ist: „Die Abgabenfreiheit gilt nur, wenn Zuschläge für Arbeit gezahlt werden, die tatsächlich und nachweislich zu den vom Steuerrecht begünstigten Stunden geleistet wurde“, erklärt Warden. So können Sozialabgaben fällig sein, mit denen keiner rechnet. Wird ein Arbeitnehmer etwa krank oder geht er in Urlaub, ergibt sich üblicherweise das Salär für diesen Zeitraum nach dem sogenannten Lohnausfallprinzip – bei Krankschreibung aus dem durchschnittlichen Verdienst der letzten zwölf Monate, bei Urlaub aus dem der vergangenen 13 Wochen, jeweils einschließlich der gezahlten Zuschläge. Es ist unerheblich, ob der Mitarbeiter das Plus auf Basis eines Tarifvertrags oder seines individuellen Arbeitsvertrags erhalten hat. Wird nicht tatsächlich gearbeitet, fallen Sozialversicherungsbeiträge auf die Zuschläge an – aufgrund der sogenannten betrieblichen Übung sogar bei freiwilligen Leistungen und generell auch für Leistungen, die dem Beschäftigten in diesem Zeitraum gar nicht ausgezahlt wurden.

ALLEIN DER UNTERNEHMER HAFTET

Für Unternehmer kann das teuer werden. „Der Firmenchef muss im Regelfall für den gesamten Zeitraum, den der Prüfer der Sozialversicherung unter die Lupe genommen hat, die Nachzahlung allein tragen“, betont Thilo Söhngen, Vizepräsident des Steuerberaterverbands Westfalen-Lippe. Die Mitarbeiter kann er zumeist nicht mehr in die Pflicht nehmen. Es ist daher empfehlenswert, die Lohnzahlungen mit einem Steuerberater zu besprechen, um solchen Stolpersteinen auszuweichen. Margit Niedermaier, die gemeinsam mit ihrem Mann Heribert in Hohenpolding bei Landshut die Niedermaier Haustechnik GmbH führt, sind derartige Risiken sehr wohl bekannt: „Wir haben uns darum schon vor vielen Jahren dazu entschlossen, unsere Lohnbuchhaltung komplett an unsere Steuerkanzlei auszugliedern, und fahren sehr gut damit.“ Die Firma wird lückenlos über alle Jahre geprüft. „Es kam noch nie zu Beanstandungen“, sagt die Firmenchefin zufrieden. Sie nimmt jedes Jahr an Weiterbildungsveranstaltungen beispielsweise von Krankenkassen teil, damit sie in puncto Lohnabrechnung auch selbst auf dem Laufenden bleibt. „Dann stelle ich immer wieder fest, wie  kompliziert die Materie ist und vor allem: wie viel sich ändert“, sagt Niedermaier mit Blick auf die Inhalte dieser Seminare. „Es wäre für uns zu aufwändig, uns über jedes Detail frühzeitig zu informieren.“

AN PFÄNDUNGSGRENZEN DENKEN

Wie knifflig die Einzelheiten bei der Lohnabrechnung häufig sind, zeigt das Beispiel Gehaltspfändung. „Es kommt durchaus öfter vor, dass Mitarbeiter so hoch verschuldet sind, dass ihnen ein Teil des Lohns nicht ausgezahlt werden darf“,  erläutert Verbandsvize Söhngen. „Der Unternehmer haftet im Zweifel gegenüber dem Gläubiger.“ Mit der Zustellung eines Pfändungsbeschlusses – er wird in der Regel von einem Gerichtsvollzieher übergeben – darf der entsprechende Betrag nicht mehr dem Schuldner überwiesen werden. Der Firmenchef wird in diesem Fall meistens dazu aufgefordert, eine sogenannte Drittschuldnererklärung auszufüllen, zu unterschreiben und zurückzuschicken. Wenn dies nicht passiert, kann der Gläubiger den Unternehmer darauf verklagen, denn er hat einen Anspruch auf seinen Anteil am Gehalt des Schuldners.

DEN STEUERBERATER EINSCHALTEN

Beachten muss der Firmenchef bei der Lohnberechnung im Falle einer Gehaltspfändung aber, dass jedem Beschäftigten – völlig unabhängig vom Anspruch des Gläubigers auf einen Teil des Entgelts – ein Mindesteinkommen zusteht, um seinen Grundbedarf für den Lebensunterhalt zu decken. Dieses sogenannte „Pfändungsnetto“ muss nicht mit dem steuerlichen Nettoeinkommen identisch sein. Derart komplexe Berechnungen, welche Lohnbestandteile wie zu berücksichtigen sind und welche Summe tatsächlich an den Gläubiger überwiesen werden muss, sollten einem Experten überlassen werden.

EXTRAS BEIM LOHN GENAU KLÄREN

Unerwartete Probleme kann die sogenannte Pfändungsgrenze auch verursachen, wenn Beschäftigten der unteren Lohngruppen steuerpflichtige geldwerte Vorteile gewährt werden. Nutzt ein Mitarbeiter etwa privat einen Firmenwagen, der nach der pauschalen Ein-Prozent-Methode versteuert wird, könnte ihm durch den Lohnsteuerabzug auf den geldwerten Vorteil netto nur noch ein Betrag unterhalb der Pfändungsgrenze bleiben. Dann könnte der Unternehmer verpflichtet sein, die Steuern und Sozialabgaben für seinen Mitarbeiter zu übernehmen, weil diesem das Mindesteinkommen in Geld auszuzahlen ist. „Viele Firmenchefs haben solche Zusammenhänge nicht im Kopf, wenn sie ihren Mitarbeitern Extras anbieten“, warnt Söhngen. Wer kein teures Lehrgeld zahlen will, sollte deshalb solche Vereinbarungen vor Vertragsunterschrift mit seinem Steuerberater besprechen.

Quelle: DATEV TRIALOG, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 02/17. Autorin: Eva-Maria Neuthinger.

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